Expedition Nord – Der Fremde ist nicht nur in der Fremde fremd 
Galerie Nord – Kunstverein Tiergarten, Berlin, 2009

Vom Polarkreis in den Dschungel des heimischen Wohnzimmers, vom exotischen Nervenkitzel in die multiethnische Realität unserer Großstädte – Die EXPEDITION NORD von Ka Bomhardt, Angela Lubič und Oliver Oefelein führt in unseren ebenso fremden wie befremdenden Alltag und gleicht dem Abenteuer großer Entdeckungen am Rande der Zivilisation. In einer gemeinsam konzipierten Ausstellung zeigen die drei Berliner KünstlerInnen erstmals Bilder ihrer langen Reise in die nahe Ferne unserer täglichen Lebenswelt. Mit dem Forschergeist der Entdecker erschließen sie uns neue Welten, kartographieren das Unbekannte hinter dem Bekannten und dokumentieren unser Hier und Jetzt mit den Augen des Anderen. Der sondierende Fokus der drei KünstlerInnen auf die alltäglichen Dinge lässt die eigene Lebenswelt zur Terra incognita werden, die sie mit scheinbar ethnologischem, geologischem und biologischem Erkenntnisinteresse dem Nebel des Unbekannten entreißen. Ihr künstlerisch-wissenschaftlich geprägter Blick bringt die Strukturen des eigenen Kulturkreises deutlich sichtbar vor Augen. Der distanzierten Haltung gegenüber dem Fremden wird jene künstlerische Distanz zur Seite gestellt, die den Blick auf die eigenen Absurditäten freimacht und so zum Schock des Fremden führt. Jenseits aller verklärenden Vorstellungen von Fremdheit und den Klischees von Ferne konfrontiert uns EXPEDITION NORD mit der Absurdität der so genannten zivilisierten Welt und ihren Vorstellungen vom Fremden. Die Raumzeichnungen, Objekte und Installationen erschließen uns die unbekannte Welt der Visionen und Fiktionen, sie führen uns durch surreale Welten zum Fremden in uns selbst. Dabei stößt das romantische Fernweh allerorten auf die Realität der Globalisierung, findet die ungebrochene Entdeckerlust ihre grotesken Grenzen am Rand der Projektionen: Der Traum von zu entdeckender Unberührtheit mündet in die Ökonomie, die Vermarktung eröffnet die Möglichkeiten von Besitznahme fremder Orte und schließlich verzerren sich die Orte selbst im Spiegel ihrer eigenen Wirklichkeit. Die Ausstellungslandschaft mit raumgreifenden Arbeiten von Ka Bomhardt, Angela Lubič und Oliver Oefelein liefert modellhafte Bilder einer Reise an den Demarkationslinien zwischen Fiktion und Realität. Vorbei an elfenbeinfarbenen Behausungen und blauen Eispalästen, an Musterhäusern und visionären Wohnmodellen führen sie die BesucherInnen mitten in der kulturellen Vielfalt Moabits in die befremdende Ambivalenz zwischen dem Unbekannten unserer Umwelt und dem Fremden in uns selbst.

Ralf F. Hartmann, künstlerischer Leiter Kunstverein Tiergarten, Galerie Nord

Ka Bomhardt 
Die dunkle Kammer, hell
Ein fast 3 Meter hoher, erleuchteter Papierkubus zeigt uns unbekannte Dinge in ungewohnter Erscheinungsform: als Schatten. In einem Wirbel von Formen und Gegenständen drücken sich vielerlei wundersame Dinge ab, die von uns definiert werden wollen: Das Fremde in uns selbst scheint dabei auf, denn in der dunklen Kammer wurde Licht gemacht.
Man steht vor einem leuchtenden Raum in einem Raum mit Pastellen und Möbeln. Zwischen zwei Stühlen entspinnt sich ein „Gespräch“, angelehnte Gewehrformen und Spiegelformen deuten auf eine nicht ganz vermeidbare Gefährlichkeit das Fremde zu erkunden. Die Arbeit „Kommode“ zeugt von einer Vergeblichkeit eines Suchens und Findens; ich ziehe eine Schublade auf und begegne dem Bild der nächsten Schublade. Die inszenierte Enttäuschung über die Begegnung immer gleicher Bilder/Schemen der Weltwahrnehmung kreuzt sich hier mit der Ironie über menschliche Orientierungs- und Ordnungs-Versuche in z.B. hölzernen Möbeln.

Angela Lubič
POLARIS-North Real Estate
Die Arbeit POLARIS befasst sich mit dem absurden Gedanken der Bebauung des Nordpols mit futuristisch anmutenden, exklusiven Wohnmodellen. Es wurde eine Art Messestand eines fiktiven Immobilienbüro`s „POLARIS-North Real Estate“ installiert, bestehend aus der Beschriftung der Schaufensterscheiben, aufgeständerten Präsentationstischen, Darstellungen von Architekturvisionen sowie einem Slogan „To be on top of the world“.
5 Platten bilden zusammengesetzt den Umriss des Nordpols und wurden jeweils mit Standorten (in Wasser-oder Nordpolnähe) und der Angabe zu Grundstückgrößen und Preisen in einer frei erfunden Währung N (NEURO) markiert. Von den Standorten verlaufen jeweils ein oder mehrere Fäden an die Wand, wo die Immobilie auf die Wand genagelt und mit Faden umspannt wurde. So bildete sich eine dreidimensionale Fadenzeichnung, die durch ihre exakten Linien von Punkt zu Punkt einer 3D-Computerzeichnung sehr nahe kommt. Die in der Ausstellung entstandenen Arbeiten von Ka Bomhardt und Oliver Oefelein wurden als „Musterhäuser“ in die Immobilienangebote integriert. Das provisorisch geklebte Wort POLARIS an den Schaufensterscheiben deutet auf den unfertige Charakter eines gerade eröffneten temporären Büros hin.

Oliver Oefelein
Eispalast
In der Galerie Nord baute ich eine Nord-Landschaft, die als Schollenformation in der Bodenebene die Wege bildete. Verkleinert, wie aus dem Flugzeug betrachtet, wird der Ausstellungsraum zum begehbaren Modell für eine Expedition. Dabei führt der Gang vorbei an Dingen, die wie Fundstücke einer fremden, blauen Welt aufgebart sind und mündet in einer Art Iglu. Der Anfertigungsprozess dieses Bauwerks ist dabei selbst Thema: Im Iglu-Inneren befinden sich am Rand die zurückgebliebenen Reste seiner Herstellung. Unter der Kuppelmitte rotiert ein Rad, als vermeintliches Zitat eines Produktionsprozesses bzw. auch für den schöpferischen Geist, (die „Erfindung des Rades“?). Und auch die akustische Soundcollage von Schlittschuhkufen auf einem zugefrorenen See gerät zum mechanischen Scharren eines maschinellen Vorgangs. Der Mensch wird dabei selbst zum Modell, zum einen real-interaktiv, als Teil eines betretbaren Kuppel-Modells, eines aufgeschnittenen Iglus, das von der Strasse her einsehbar ist, zum anderen auch innerhalb eines traditionellen Tafel-Bildes: „Zwei Idealkörper“, einem weiteren Teil dieses Ausstellungs-Kosmos. Mir ging es bei Expedition Nord um Modelle, (eingeschmolzene) Spuren und Zeichen. Letzte standen wie Platzhalter oder Symbole für Möglichkeiten im Raum, oder drehten sich als deren Verkleinerungen („selbstreferenziell“) um sich selbst. Ältere Arbeiten (Modelle), mit sich ebenfalls drehenden Elementen, habe ich in die „Landschaft“ integriert: als Hemisphären standen unter Acrylhauben das „Wettermodell“ (Foto), eine „Schaumprobe“, sowie der „Große Schaumschläger“ von 2006. Die gesamte Installation ist durch die exzessive Verwendung der Wärme-Dämmplatten aus Hartschaum und der durchgängig eingesetzten Farbe Blau zu einer in sich geschlossenen Welt aus Einzel-Artefakten, oder wiederum zu einer Art Modell geworden. Die Fremdartigkeit, also dem eigentlichen Thema der Gemeinschaftsausstellung, ist allerdings bei mir nicht nur der entrückten Materialität des Hartschaum-Materials geschuldet, sondern auch oder viel mehr meiner Suche auf der Schwelle von Rationalität und Irrationalem. Dabei entwickel ich meine Fiktionen, bei der das Modell zur Plattform meiner Vorstellung von Wirklichkeit wird. In einem Film, der in einem separaten kleinen Raum der Galerie Nord auf eine installierte, blaue Hartschaumwand projiziert wurde, erklärt Oefelein in fremder Sprache seine Arbeit des vorangegangenen Ausstellungsprojektes: „Transramonien“. Damals baute ich einen kulissenhaften Messestand zum Thema „Transramonien Design Prize“, auf dem als integraler Bestandteil u. a. wiederum ein Film, das Home Shopping Video „Trans Bob King“, lief.